123 | Johannes der Täufer in der Wüste, in einer Schriftrolle lesend
Mit seinem asketischen, nur mit einem Tierfell notdürftig bekleideten Körper wird Johannes der Täufer als „Rufer in der Wüste“ (Lukas 3,1) dargestellt. Als Prediger weist ihn auch das ungewöhnliche Attribut der Schriftrolle in der rechten Hand aus, in die sich sein Blick versenkt. Der Kreuzstab hingegen kennzeichnet ihn als den Vorläufer Christi und dessen Passion. Die an den Oberschenkel gelegte Hand erinnert deutlich an den berühmten „David“ Michelangelos aus dem Jahr 1504. Dies und weitere stilistische Details sprechen für eine Entstehung der Figur im 16. Jahrhundert – Donatello scheidet damit als Künstler aus, dem man die Figur zur Zeit der Anfertigung der Kopie und deren Ausstellung in Erlangen zuschrieb. Schon 1931 wurde in der Forschung die bis heute gültige Zuschreibung an Francesco da Sangallo (1494–1576) begründet, was sicherlich von den Erlanger Studierenden damals diskutiert wurde.
Heidrun Stein-Kecks
Reber 1906: "Donatello (Donato di Niccolo di Betto Bardi) Abguss. Das Marmororiginal im Museo nazionale (Bargello) zu Florenz." (S. 24)
Bulle 1906: "Zwei Statuen Donatellos, Johannes der Täufer (Nr. 123) und David (Nr. 122), zeigen die beiden Pole, zwischen denen sich die Kunst dieses stärksten und vielseitigsten unter den quattrocentistischen Meistern bewegt: der Johannes eine naturalistische Studie von fast erschreckender Derbheit und Wahrheit; krankhaft hager, durch Askese aufs äußerste abgemagert, mit einem eigentümlich schleichenden Schritt vorwärts schreitend, den Blick ganz versunken in eine Schriftrolle, aus der er einen Psalm zu singen scheint; [...]" (S. 5)
Reber 1913: Kein Eintrag.
Haack 1921/22: Kein Eintrag.