060 | Italienische Facchini / Genrestück
Vor einem Bergkastel, auf dessen Mauern sich Menschen und Hunde befinden, lagern zwei Männergruppen, genauer „Faccini“ (dt. Tagelöhner/Handlanger). Zwei Männer im Mittelgrund spielen ruhig Karten, während die vorderste Gruppe erregt Mora spielt. (Mora ist ein traditionelles – bereits in der Antike bekanntes – Spiel mit den Händen.) Die zwei im Profil gezeigten sitzenden Moraspieler und der in der Mitte befindliche Zuschauer, der den Betrachter direkt anblickt, sind derb und in Lumpen dargestellt, greifen aber eine frühchristliche und byzantinische Ikonographie auf. Die Übernahme solcher Traditionen in alltägliche Szenen sind zentral in der intellektuellen Komik der „Bambocciade“ (Levine 1991b, S. 190, 193), die nach Pieter van Laer seinem Spottnamen „Il Bamboccio“ (dt. Lumpenpuppe bzw. Lumpenpack) benannt wurden.
Eine zweite Fassung des Werkes existiert im Budapester Museum für Schöne Künste, unter dem Titel „Landschaft mit Mora-Spielern“ (1636). Bei diesem ist die Zuschreibung zu Pieter van Laer oder Jan Both umstritten, da die Farbigkeit mit ihren Gelbtönen zwar für Both spricht, aber die zwei Fassungen nicht nur ähnlich, sondern bis auf eine Figur gleich ist (Ember 1995b, S. 174 – Ember u. Urbach 2000, Nr. 296). So fehlt in der Erlanger Variante, die eindeutig Laers zugeschrieben wird, nur ein blinder Mann rechts. Bereits 1650-1660 werden Stiche, von Cornelis Visscher, nach dem Gemälde geschaffen. Zudem ist durch Visscher der van Laer sein „großer Kalkofen“ überliefert, der die gleichen Figuren im Vordergrund zeigt und dessen Ofenarchitektur an das Kastell erinnert (Levine 1991b, S. 190).
Diese Gemälde gehören zu den ersten Werken der neuen Genremalerei „Bambocciade“ in Rom, welche von flämischen und holländischen Malern geschaffen wurden, und sich mit derben Alltagsszenen von Bettlern und Soldaten beschäftigten. Die derb-komischen Darstellungen des Volkslebens zeigten dabei nicht die Realität der armen Bevölkerung, die unter Hunger und mangelnder Hygiene litten, sondern meist heitere Szenen (Levine 1991a, S. 18). – Eine nähere Erörterung über die Darstellungen des Alltags findet sich in der Dissertation Uta Piereth (Piereth 1996, S. 143-248.). – Weiterhin sind die Szenen klassierend komponiert. So wird, wie auch bei dem vorliegenden Werk, monumentale Architektur durch Figuren ausgeglichen, während der van Laer sein Nachfolger Jan Both die Figuren weiter vom Betrachter und damit auch kleiner zur Architektur an ordnet, wie bei seiner „Römische Volksszene mit Kartenspielern vor dem Saturntempel“ (Levine 1991a, S. 19).
Alexander Steinmüller
Dieses Gemälde gehört zu den ersten Werken der neuen Genremalerei, welche von flämischen und holländischen Malern in Rom geschaffen und nach dem Spottnamen des Pieter van Laer (1599-1642), „Bamboccio”, benannt wurde. Die „Bambocciade“ zeigen Alltagsszenen der armen Bevölkerung in Rom und in der Campagna, dem römischen Umland, wie auch das vorliegende Genrestück mit „Italienischen Facchini“ (Tagelöhner) zeigt. Ein weiteres Werk unter dem Einfluss der Bambocciade ist der Reiterkampf des Filippo Napoletano (1587-1629) (Nr. 102).
Alexander Steinmüller
Reber 1906: „Genrestück. Italienische Facchini spielen vor einer Festungsmauer.“ (S. 12)
Bulle 1906: „Ganz italienisch, auch meist in seinen Stoffen ist Pieter van Laar, der seine besten Jahre in Rom zubrachte und von den Italienern den wenig schmeichelhaften Namen Bamboccio, Tölpel, bekam. Er hat das italienische Volksleben mit echt niederländischer Freude am Derben beobachtet. Sein Bild (Nr. 60) zeigt ein italienisches Bergnest oder Kastell, an dessen Fuß ein paar Kerle in zerfetzten bunten Kleidern faullenzen, spielen, zanken. Der Nordländer sah, wie malerisch diese Lumpe sind, eine Entdeckung, die für die Italiener etwas neues war, sodaß sie derartige Bilder Bambocciate nannten. Man beachte, wie trefflich die bunten Farben zu einer malerischen Gesamtwirkung zusammengestimmt sind.“ (S. 28-29)
Reber 1913: Dann durch zwei aus dem Ansbacher Schloß gekommene Gegenstücke des in mehreren Sätteln gerechten Pieter van Laar, gen. Bamboccio (gest. vor 1675), einen Pferdestall und spielende Facchini darstellend.“ (S. 196-197)
Haack 1921/22: „Um den Pferde- Kriegsmaler Wouwermann gruppieren sich in unserer Galerie eine Reihe anderer Vertreter dieses Faches: Jan van Huchtenburg, Herman van Lin, Palamedes Palemedesz gen. Stevaerts, er selbst hat als Pferdemaler von dem gleichfalls hier vertretenen Pieter van Laar, auf den später noch ein Mal zurückzukommen ist, Anregungen empfangen, wie er als Figurenmaler auf Frans Hals zurückweist.“ (S. 11) ; „Da ist der, chrarakteristischer Weise Bamboccio zubenannte, oben schon als Wouwermanns Anreger erwähnte Pieter van Laar, berühmt als Begründer einer in Italien gebildete allgemein niederländische Richtung, die freilich weniger von Raffael und Michelangelo als von der Schilderung des italienischen Volkslebens ausging und sich das ganze Jahrhundert hindurch lebendig erhielt. Wie Pieter van Laar (1582 - 1642) außer einem sehr bezeichnenden Bilde italienischer Facchini mit einem Pferdestück in Erlangen vertreten ist, so auch der am Ende dieser Entwicklung stehende Vlaame Pieter van Bloemen (1657 - 1720)“ (S. 13)